Die Antworten auf diese Fragen (und viele mehr) gibt es einmal im Monat in unserem Brotzeit-Interview, dem Business-Fragebogen von Kitchen Stories.
Ein außergewöhnlicher FMCG-Player auf Social ist Liquid Death. Liquid Death verkauft Wasser in Bierdosen. Laut eines Investors ist Liquid Death die vielleicht schnellst wachsende nicht-alkoholische Getränkemarke aller Zeiten. 2019 gegründet. Heute 1,4 Milliarden USD Wert. Das liegt auch an der Social Media Positionierung. Auf Social sieht sich Liquid Death nämlich nicht als Getränkemarke, sondern als Unterhaltungs-Firma. Das führt zu aufmerksamkeitsstarken Stunts wie einer eigenen Animations-Serie auf Instagram oder einem limitierten Skateboard, wo der Print aus dem Blut von Tony Hawk (dem legendären Skateboarder) erstellt wurde. Dieser WTF-Content ist eine Abweichung von der Norm, begeistert Fans, trifft das Grundbedürfnis von Social Media Nutzung (einfach mal abschalten) und verbreitet sich so wie ein Lauffeuer.
Ein weiteres sehr gutes Beispiel für großartige FMCG Brands ist Oatly, die schwedische Marke für pflanzliche Milchalternativen. Ähnlich wie Liquid Death sieht Oatly Social Media nicht als ein Werbeplakat und nervt ihre Community nicht mit Produktvorteilsbotschaften. Stattdessen fährt Oatly eine Art Anti-Marketing-Strategie und widerspricht allen Konventionen der Industrie. Oatly’s Posts sind nämlich von einer großen Portion Selbst-Ironie und Sarkasmus geprägt. Sie nehmen sich und die Marketing-Industrie auf die Schippe, gewinnen so an Sympathie und differenzieren sich zugleich stark vom Wettbewerb.
Konsistenz ist auf jeden Fall ein wichtiger Treiber. Ich selbst spiele auf meinem eigenen TikTok Account (@mister.marathon) monothematisch immer nur 1 einziges Format: Run Until You See. Jedes Video ist 1:1 gleich aufgebaut. Das schafft eine Art Erwartungsversprechen bei der Community und hat mein Profil zu einem der größten Running Accounts in DACH entwickelt.
Natürlich reicht Konsistenz alleine nicht, sondern Creator*innen brauchen eine einzigartige Persönlichkeit, die in differenzierendem Content mündet. @herranwalt, beispielsweise, ist bekannt für seine 1-Minuten-Jura-Videos. Dieses Format spielt er konsistent seit Jahren, hat fast schon eine eigene Ästhetik geprägt und somit eine gewisse Besonderheit aufgebaut, die schwer zu kopieren ist.
Würdest Du sagen, dass TikTok eher für persönliche Inhalte geeignet ist, oder gibt es dort auch Platz für Markenunternehmen?
Starke Marken sind dort, wo die Menschen sind. TikTok ist gerade nicht nur die schnellst wachsende Plattform in User*innen Zahlen, sondern gilt auch als Cultural Tastemaker. Wenn du als Marke nicht auf TikTok stattfindest, bist du nicht mehr Talk of Town.
Bei TikTok – sowie bei anderen Social Media Plattformen auch – gilt für Marken der Leitsatz: Blending in while standing out. Marken müssen sich an die Kultur der Plattform, die Ästhetik und die Sprache anpassen. Dabei ist es wichtig, nicht blind wie ein Lemming jedem Trend hinterherzulaufen, sondern eine eigene Handschrift zu entwickeln, die zum Marken Narrativ passt und authentisch vertreten werden kann.
Ich glaube, dass Social Media nicht top-down, sondern bottom-up funktioniert. Du kannst dich nicht, wie in alten Leitmedien, von oben herab auf TikTok, Instagram und Co. setzen und wie in einer Einbahn-Straße in die Plattform hineinrufen. Social Media lebt von Wechselseitigkeit. Wir sagen oft, dass Marken auf Social sogar co-created werden. Das gilt auch für die Sprache: Marken müssen einen Duktus finden, der zu der Community auf der Plattform passt. Ansonsten wirken Marken wie Tourist*innen und nicht wie Locals. Allerdings ist es immens wichtig, dass die Marke eine Tonalität wählt, die zu ihren Werten und Image passt – und nicht nur Trends oder Best Practices hinterherrennt.
Das ist eine sehr spannende Frage, die ich nur hypothetisch beantworten kann. Ein TikTok-Verbot in den USA könnte auch hierzulande zu Skepsis und zu einer gewissen TikTok-Rückhaltung führen – zumindest auf Unternehmensseite. Denn für User*innen wird TikTok immer noch the place to be für Unterhaltung bleiben. TikTok könnte dann wiederum auf weniger restriktiven Märkten, wie z.B. Europa, seine Marketinganstrengungen und Investitionen erhöhen. Das schafft dann natürlich neue Wachstums-Chancen für Marken. Ein Blick in die Glaskugel ist hier allerdings sehr schwer und wir empfehlen Unternehmen, die aktuelle Lage und Entwicklung genau zu verfolgen und dementsprechend zu handeln.